Zen-Bogenschießen – die andere Art der Meditation

Was ist Zen-Bogenschießen?

Zen-Bogenschießen, auch bekannt als Kyūdō (japanisch für „Weg des Bogens“), ist eine traditionelle japanische Kunst des Bogenschießens, die stark in den philosophischen Prinzipien des Zen-Buddhismus verwurzelt ist. Es geht dabei nicht nur um das Treffen des Ziels, sondern vielmehr um die meditative Praxis und die innere Haltung des Schützen.

Im Zen-Bogenschießen ist der Weg, den der Pfeil nimmt, ein Spiegel für den inneren Zustand des Schützen. Es wird angenommen, dass die äußere Perfektion des Schusses erst erreicht werden kann, wenn der Schütze im Inneren völlige Klarheit, Ruhe und Achtsamkeit erlangt hat. Der Akt des Schießens wird zu einem Ausdruck der Harmonie von Körper und Geist.

Ein zentrales Konzept ist das Mushin – der „leere Geist“. Das bedeutet, dass der Schütze frei von ablenkenden Gedanken und Emotionen sein soll, im Moment präsent und in völliger Konzentration auf das Hier und Jetzt. Der Schuss selbst ist ein Ritual, das in festgelegten Bewegungen abläuft, die präzise und ruhig ausgeführt werden. Es kommt nicht darauf an, das Ziel zu treffen, sondern darauf, im Einklang mit sich selbst und der Umgebung zu sein.

Zen-Bogenschießen wird oft als eine spirituelle Übung betrachtet, die das Ego überwindet und zu Selbsterkenntnis führt. Die Essenz dieser Praxis liegt im Loslassen – nicht nur des Pfeils, sondern auch von jeglichem Streben und Verlangen.

Die Geschichte des Zen-Bogenschießens

Die Geschichte des Zen-Bogenschießens, oder Kyūdō, ist tief in der japanischen Kultur verwurzelt und hat sich über Jahrhunderte hinweg entwickelt. Ursprünglich war das Bogenschießen eine militärische Kunst, die in verschiedenen Kulturen auf der ganzen Welt praktiziert wurde, aber in Japan nahm es einen besonderen spirituellen Weg, als es mit den Lehren des Zen-Buddhismus verbunden wurde.

Ursprünge im alten Japan

Die Anfänge des Bogenschießens in Japan reichen bis in die Zeit der Jōmon-Periode (ca. 10.000 v. Chr. – 300 v. Chr.) zurück, als Pfeil und Bogen vor allem als Jagd- und Kriegswaffen verwendet wurden. Später, während der Heian-Zeit (794–1185), entwickelte sich das Bogenschießen zu einer wichtigen militärischen Kunst, die von den Samurai, der Kriegerklasse Japans, perfektioniert wurde. Die Samurai sahen im Bogenschießen nicht nur eine Waffe des Krieges, sondern auch eine Disziplin, die körperliche und geistige Stärke erforderte.

Verbindung zum Zen-Buddhismus

Im 12. Jahrhundert, während der Kamakura-Zeit (1185–1333), als der Zen-Buddhismus aus China nach Japan eingeführt wurde, fand das Bogenschießen einen neuen philosophischen Hintergrund. Zen-Buddhismus legt großen Wert auf Meditation, Achtsamkeit und das Erreichen von innerem Frieden. Zen-Meister sahen im Bogenschießen eine Parallele zur Zen-Praxis: das Schießen eines Pfeils konnte zur Meditation in Aktion werden. So wurde das Ziel des Bogenschießens nicht mehr nur als Kampfkunst verstanden, sondern auch als spiritueller Weg zur Selbsterkenntnis.

Einer der wichtigsten Zen-Meister, die das Bogenschießen beeinflussten, war Daiun Harada Rōshi, ein Zen-Buddhist des 20. Jahrhunderts, der die Praxis des Kyūdō als eine Form von Zen-Übung ansah. Doch auch schon zuvor, im 17. Jahrhundert, während der friedlichen Edo-Zeit, als das militärische Bogenschießen an Bedeutung verlor, begann sich Kyūdō immer mehr zu einer spirituellen Kunstform zu entwickeln.

Zen und die „Kunst des Bogenschießens“

Das Zen-Bogenschießen wurde im Westen besonders durch das Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von Eugen Herrigel bekannt, das erstmals 1948 veröffentlicht wurde. Herrigel, ein deutscher Philosoph, lernte in den 1920er Jahren bei dem Zen-Meister und Kyūdō-Lehrer Awa Kenzō in Japan. In seinem Buch beschreibt Herrigel, wie er die tiefen spirituellen Prinzipien des Zen durch die Praxis des Bogenschießens erlebte. Der Akt des Schießens wurde zu einem meditativen Prozess, bei dem es darum ging, „ohne Absicht“ zu schießen und eins mit dem Bogen und dem Pfeil zu werden.

Dieses Werk machte Zen-Bogenschießen auch außerhalb Japans populär und trug dazu bei, dass es als eine Form der spirituellen Praxis geschätzt wurde.

Moderne Praxis

Heute wird Zen-Bogenschießen sowohl in Japan als auch weltweit als Kunstform und meditative Praxis geschätzt. Es wird oft in traditionellen Kyūdō-Dōjō (Trainingshallen) unterrichtet, in denen Schüler unter der Anleitung eines erfahrenen Lehrers die Disziplin und Philosophie des Bogenschießens lernen. Die Praxis selbst besteht aus verschiedenen ritualisierten Bewegungen, die Präzision, Konzentration und inneren Frieden erfordern. Dabei wird nicht nur auf die äußere Technik, sondern vor allem auf die innere Haltung Wert gelegt.

In Japan ist Kyūdō auch heute noch eine weitverbreitete Kunst, die von Menschen aller Altersgruppen ausgeübt wird, von Schulkindern bis zu älteren Erwachsenen. Es gibt nationale und internationale Kyūdō-Verbände, die die Kunst fördern, Wettbewerbe abhalten und die Tradition am Leben erhalten. Zen-Bogenschießen wird dabei oft als Weg zur Selbsterkenntnis und inneren Ruhe verstanden, bei dem der Akt des Schießens zu einem meditativen Prozess wird.

Zen-Bogenschießen hat seine Wurzeln in der alten Kriegskunst der Samurai und wurde durch die Lehren des Zen-Buddhismus zu einer spirituellen Praxis entwickelt. Über Jahrhunderte hinweg hat sich diese Kunst von einer rein militärischen Disziplin zu einer meditativen Übung gewandelt, die heute weltweit geschätzt wird. Zen-Bogenschießen bietet den Praktizierenden einen Weg, sich selbst zu erforschen, Ruhe zu finden und im Einklang mit sich und der Welt zu stehen.

Große Meister des Zen-Bogenschießens

Es gibt einige bedeutende Zen-Buddhisten, die als Meister des Zen-Bogenschießens (Kyūdō) gelten und die Kunst des Bogenschießens mit den Prinzipien des Zen-Buddhismus verbanden. Hier sind einige bekannte Zen-Meister, die das Zen-Bogenschießen prägten:

1. Awa Kenzō (1880–1939)

Awa Kenzō ist einer der bekanntesten Meister des Zen-Bogenschießens. Er war ein japanischer Kyūdō-Lehrer und gilt als Wegbereiter der spirituellen Dimension des Bogenschießens. Awa Kenzō verband das Bogenschießen stark mit dem Zen-Buddhismus und entwickelte seine eigene Methode, das Dai-Seishin-Teki Kyūjutsu, was so viel wie „Bogenschießen aus dem großen Geist“ bedeutet.

Awa glaubte, dass es beim Schießen nicht nur darum ging, das Ziel zu treffen, sondern dass der Schütze sich selbst durch das Bogenschießen reinigen und transformieren kann. Er betonte die Bedeutung von Achtsamkeit und der völligen Hingabe an den Moment des Schusses. Awa war der Lehrer von Eugen Herrigel, der durch sein Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ diese Lehren im Westen bekannt machte.

2. Daiun Harada Rōshi (1871–1961)

Harada Daiun Sogaku Rōshi war ein einflussreicher Zen-Meister und Gründer der Harada-Yasutani-Schule des Zen-Buddhismus. Er war nicht nur im Zen tief verwurzelt, sondern förderte auch das Zen-Bogenschießen als eine Form der Achtsamkeitspraxis. Harada sah das Bogenschießen als eine Möglichkeit, das Konzept des „leeren Geistes“ (Mushin) zu verinnerlichen. In dieser Praxis kann der Schütze frei von Gedanken und Wünschen agieren, wodurch der Schuss zu einem Ausdruck der inneren Klarheit wird.

Obwohl Harada Rōshi nicht primär als Kyūdō-Meister bekannt war, spielte das Bogenschießen eine Rolle in seiner Lehre des Zen, indem er seine Schüler dazu ermutigte, Alltagsaktivitäten, einschließlich des Bogenschießens, als Teil ihrer spirituellen Praxis zu integrieren.

3. Shibata Kanjuro XX (1921–2013)

Shibata Kanjuro XX war ein japanischer Kyūdō-Meister in der 20. Generation der Shibata-Familie, die seit über 400 Jahren die Tradition des Bogenschießens weiterführte. Er war auch ein Zen-Praktizierender und wurde 1980 vom tibetischen Meditationslehrer Chögyam Trungpa Rinpoche eingeladen, das Kyūdō in den USA zu lehren.

Shibata Kanjuro verband das Zen mit Kyūdō, indem er betonte, dass das Schießen ein Weg sei, um das Ego loszulassen und Harmonie mit sich selbst und der Umwelt zu finden. Er unterrichtete Kyūdō als eine spirituelle Praxis, die mit der meditativen Achtsamkeit des Zen in Verbindung steht. Sein Fokus lag darauf, dass es beim Bogenschießen weniger um den Erfolg oder das Treffen des Ziels geht, sondern darum, in den richtigen Bewusstseinszustand zu kommen und die wahre Natur des Selbst zu erkennen.

4. Eugen Herrigel (1884–1955)

Obwohl kein traditioneller Zen-Meister, war Eugen Herrigel ein bedeutender Vermittler der Zen-Bogenschießkunst im Westen. Herrigel war ein deutscher Philosoph, der in den 1920er Jahren nach Japan reiste, um Zen zu studieren. Unter der Anleitung von Awa Kenzō erlernte er das Kyūdō und schrieb später das Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“, das im Westen großen Einfluss hatte.

Herrigel beschreibt in seinem Buch seine eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse, wie der Akt des Bogenschießens zu einem Weg des Loslassens und der Meditation wurde. Seine Begegnung mit Awa Kenzō prägte seine Sichtweise, dass die wahre Kunst des Bogenschießens nicht im Treffen des Ziels liegt, sondern im Loslassen des bewussten Wunsches, das Ziel zu treffen.

5. Onuma Hideharu (1921–1990)

Onuma Hideharu war ein hoch angesehener Kyūdō-Meister des 20. Jahrhunderts und ebenfalls stark von Zen-Buddhismus beeinflusst. Er war der Ehrenpräsident der International Kyudo Federation und ein Vorreiter bei der Förderung von Kyūdō als internationale Kunstform.

Er betrachtete das Bogenschießen als einen Weg zur Verwirklichung der „Einheit von Körper und Geist“. Onuma betonte, dass der Schütze durch ständiges Üben nicht nur seine Technik, sondern auch seinen Geist entwickeln kann, um innere Harmonie zu erlangen. Sein Erbe lebt in der heutigen Kyūdō-Praxis weiter, die er als eine Form von Zen-inspirierter Selbstkultivierung förderte.